Frankfurt, 24. Apr (Reuters) - Die Stimmung in den Chefetagen der Unternehmen in Deutschland hat sich trotz des Zollstreits überraschend leicht verbessert. Der Ifo-Geschäftsklimaindex stieg im April auf 86,9 Punkte, nach 86,7 Zählern im März und damit das vierte Mal in Folge, wie das Münchner Ifo-Institut am Donnerstag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hingegen hatten mit einem Rückgang auf 85,2 Punkte gerechnet. In ersten Reaktionen erklärten Experten:
DIRK SCHUMACHER, CHEFVOLKSWIRT KFW:
"Die Unternehmen befinden sich weiter zwischen Hoffen und Bangen, was die Auswirkungen der Zollerhöhungen der USA betrifft. Zwar zeigt der Anstieg der Einschätzung der aktuellen Lage, dass die moderate Erholung der Wirtschaft weitergeht. Allerdings deutet der leichte Rückgang der Einschätzung des Ausblicks die Unsicherheit über den weiteren Verlauf an. Die Unternehmen hoffen noch, dass es zu einer Einigung im Handelskonflikt mit den USA kommen kann - ansonsten wäre der Rückgang noch deutlicher ausgefallen. Aber die Zuversicht scheint gleichzeitig nur sehr verhalten zu sein."
ANDREAS SCHEUERLE, DEKABANK
"Man muss schon genauer hinsehen, um die Zolleffekte im Ifo-Geschäftsklima zu erkennen; dann zeigen sich diese aber umso deutlicher. Stark verbesserte Geschäftserwartungen in der Bauwirtschaft – wohl dank des Infrastrukturpakets – und stabile Zukunftserwartungen der Dienstleister gleichen aktuell noch den Einbruch in der Industrie sowie im Groß- und Einzelhandel nahezu aus. Die Exportperspektiven in der Industrie aber trüben sich massiv ein und die alle Dimensionen sprengende Unsicherheit belastet die für Deutschland so wichtigen Investitionsgüterproduzenten. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit werden Investitionspläne auf die lange Bank geschoben."
RALPH SOLVEEN, COMMERZBANK:
"Entgegen den allgemeinen Erwartungen ist das Ifo-Geschäftsklima im April leicht von 86,7 auf 86,9 gestiegen. Zwar haben sich – wahrscheinlich wegen der höheren US-Zölle – die Erwartungen der Unternehmen etwas eingetrübt, was aber durch eine bessere Lagebeurteilung mehr als ausgeglichen wurde. Dies macht Hoffnung, dass sich die Konjunktur in Deutschland im Verlauf dieses Jahres zumindest etwas beleben wird."
THOMAS GITZEL, CHEFVOLKSWIRT VP BANK:
"Die deutsche Wirtschaft wird derzeit gleich mehrfach in die Zange genommen. Zum größten konjunkturellen Risiko entwickelten sich etwaige US-Strafzölle gegenüber europäischen Importen. Unabhängig davon, präsentierte sich das globale verarbeitende Gewerbe ohnehin schon seit längerem von der schwachen Seite, was eine große Bürde für die deutsche Wirtschaft schon in den vergangenen zwei Jahren war. In Anbetracht der schwachen konjunkturellen Entwicklung und der aufkommenden Sorgen um den Arbeitsplatz halten sich die Verbraucher mit größeren Konsumausgaben zurück. Das von der möglichen neuen Bundesregierung initiierten Infrastrukturausgaben werden derweil erst im kommenden Jahr positive konjunkturelle Impulse setzen. Doch vielleicht signalisiert der Anstieg des ifo-Geschäftsklimaindex trotz der Zolldebatten, dass die von den möglichen Koalitionspartnern vorgesehenen wirtschaftlichen Impulse in die richtige Richtung gehen."
ELMAR VÖLKER, LBBW:
"Ein kleines Licht am Ende des Tunnels: Angesichts der jüngsten Eskalation im Handelskonflikt mit den USA sind die Zahlen aus München eine positive Überraschung. Die Geschäftserwartungen erhielten zwar einen Dämpfer, der jedoch deutlich geringer ausfiel als gedacht. Die Lageeinschätzung erreicht den höchsten Wert seit acht Monaten, wiewohl auf einem noch immer überaus niedrigen Niveau. Es besteht somit keineswegs ein Grund, in Jubelstimmung zu verfallen. Immerhin scheint es aber nicht so, als gleite die deutsche Wirtschaft aus ihrer 'Wellblechkonjunktur' demnächst in eine schwere Rezession ab."
ALEXANDER KRÜGER, CHEFVOLKSWIRT HAUCK AUFHÄUSER LAMPE PRIVATBANK:
"Der Optimismus bleibt trotz des Frühlingserwachens im Schlaf. Die etwas bessere Lagebeurteilung überrascht, auch wegen der Festigung des Euro. In die Zukunft blicken Unternehmen alles andere als zuversichtlich. Mit dem Zollstreit ist eine hohe Unsicherheitskomponente noch hinzugekommen. Gleichzeitig ist die Last der Bürokratie schwer zu tragen. Die Unterstützung seitens der kommenden Bundesregierung ist spärlich. Der Koalitionsvertrag gibt jedenfalls kein Signal für ein 'Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt'. Die Standortqualität bleibt angezählt, Strukturreformen liegen auf der langen Bank. Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft sind unverändert trüb."