Investing.com - Die Lage an den Finanzmärkten ist angespannt - und genau in diesem Umfeld rollt in den USA die Berichtssaison für das erste Quartal an. Analysten und Investoren stellen sich dieselbe Frage: Werden wir diesmal mehr Klarheit bekommen? Oder sorgt das Auf und Ab rund um Handelspolitik, Inflationssorgen und mögliche Zinsschritte weiter für Verwirrung? Eines steht fest: So unsicher wie jetzt fühlte sich die Lage für US-Konzerne seit den Zeiten der Corona-Pandemie nicht mehr an. Und für uns als Anleger heißt das: Genau hinsehen! Wer schlau agiert, könnte von der aktuellen Volatilität profitieren. Doch wie geht man am besten vor?
Basierend auf FactSet-Daten rechnen die Experten derzeit damit, dass die S&P-500-Unternehmen im Jahresvergleich ein Gewinnwachstum von rund 7 % vorlegen werden. Vergangene Woche lag der Wert noch bei 7,1 %, also minimal höher. Zwar wirkt die aktuelle Schätzung immer noch solide, doch es gibt einen kleinen Wermutstropfen: Einige Frühstarter unter den Firmen haben schon Ergebnisse gebracht - und lediglich 60 % von ihnen haben die Erwartungen der Analysten übertroffen. Das ist ein deutlicher Dämpfer, wenn man bedenkt, dass der Fünfjahresdurchschnitt der sogenannten „Beat Rate“ bei 77 % liegt und der Zehnjahreswert immer noch bei 75 %.
Die Q1-Ergebnisse an sich sind natürlich aufschlussreich, aber börsengehandelte Unternehmen berichten immer über die Vergangenheit. Wesentlich spannender ist die Frage, wie die Firmen selbst den Rest des Jahres einschätzen. Genau hier stoßen wir auf das große Problem der momentanen Unsicherheit: In den letzten Monaten wechselten handelspolitische Maßnahmen in den USA gefühlt im Tagestakt. Erst gestern hat die US-Regierung den meisten Ländern eine 90-tägige Pause bei den reziproken Zöllen gewährt, während die Strafzölle gegen China auf bis zu 125 Prozent gestiegen sind. Kein Mensch weiß, ob es wieder Anpassungen gibt, bevor dieses Moratorium abläuft - und genau das erschwert den Ausblick.
Man fühlt sich ein wenig zurückversetzt ins Frühjahr 2020, als reihenweise Unternehmen während ihrer Quartals-Calls lieber gar keine Prognosen abgaben. Heute sehen wir ein ähnliches Muster: Einige CEOs halten sich bereits bedeckt. Ob das ein breitflächiger Trend wird, muss sich erst zeigen. Dass es jederzeit zu einer plötzlichen Richtungsänderung kommen kann, mindert die Lust, eine konkrete Jahres- oder Quartalszahl auf den Tisch zu legen.
Schon Ende März, als Dollar Tree (NASDAQ:DLTR) seine Q4-Zahlen vorlegte, sprach CEO Michael Creedon von drohenden Einbußen in Höhe von 20 Millionen US-Dollar pro Monat - je nach Höhe und Zeitpunkt neuer Zölle. Trotzdem verzichtete der Discounter darauf, diese Risiken in den Ausblick für das Geschäftsjahr 2025 einzupreisen. Sie wissen schlicht nicht, welches Szenario tatsächlich eintritt.
Bei Delta Airlines (NYSE:DAL) beobachtet man ein ähnliches Phänomen. Die Fluggesellschaft veröffentlichte ihre Q1-Ergebnisse am 9. April und hatte erst kurz zuvor die Umsatzprognose für das Gesamtjahr 2025 deutlich zurückgeschraubt, nämlich von 7 bis 9 % Wachstum auf nur noch 3 bis 4 %. In der Telefonkonferenz hieß es dann, dass man diese vorsichtigere Schätzung nicht einmal mehr bestätigen könne. Es soll „im Laufe des Jahres“ ein Update folgen - sobald man die Lage besser einschätzen kann. Wer also gehofft hatte, sich auf feste Zahlen zu verlassen, schaute in die Röhre.
Traditionell startet die US-Berichtssaison mit den großen Banken. Den Auftakt machen JPMorgan (NYSE:JPM), Wells Fargo (NYSE:WFC), Bank of America (NYSE:BAC) und Konsorten am morgigen Freitag.
Schauen wir zunächst auf die positiven Aspekte: Nach wie vor profitieren Banken von höheren Zinsen, die ihrerseits die Marge für Kreditgeschäfte anheben. Als Wells Fargo den Rückblick auf das Q4 gab, sagte CFO Michael Santomassimo, dass das Nettozinseinkommen 2025 um 1 bis 3 % über dem Vorjahresniveau liegen dürfte.
Auch das Handelsgeschäft könnte zu einem Plus führen. Die ersten drei Monate dieses Jahres waren teils recht volatil, was potenziell höhere Trading-Erlöse nach sich zieht. Fünf der größten amerikanischen Investmentbanken - JPMorgan, Goldman Sachs (NYSE:GS), Bank of America, Morgan Stanley (NYSE:MS) und Citigroup - sollen laut einer Studie von BCG Expand rund 34 Milliarden US-Dollar an Handelserlösen erzielt haben. Das ist für ein erstes Quartal eine Rekordmarke oder zumindest in der Nähe davon.
Eine Einnahmequelle, die zuletzt geschwächelt hatte, könnte im ersten Quartal wieder etwas Leben gezeigt haben: das Hypothekengeschäft. Im Februar sind die Verkäufe bestehender Häuser in den USA überraschend um 4,2 % im Monatsvergleich gestiegen - Experten hatten mit einem Rückgang gerechnet. Auch Bank of America meldete einen Anstieg bei den Hypothekenanträgen um 80 % im Vergleich zum Vorquartal. Allerdings sind die Daten zum US-Immobilienmarkt weiterhin uneinheitlich: Ausstehende Hausverkäufe nahmen zuletzt nur moderat zu, und auf Jahresbasis war immer noch ein Minus zu verzeichnen. Der Markt könnte also lediglich von einem kurzfristigen Sondereffekt profitieren.
Andererseits haben Banken weiter mit einem hartnäckig schwachen Geschäft bei Fusionen und Übernahmen (M&A) sowie Börsengängen (IPOs) zu kämpfen. Zwar hofften viele, dass die Zinssenkung der US-Notenbank im September 2024 mehr Dealflow bringen würde, aber davon war bisher wenig zu spüren. Dass die FED momentan betont, sie sehe keinen Anlass, die Zinsen rasch weiter zu senken, lässt die Kreditkosten hoch. Mit zunehmender Rezessionsangst ziehen sich Firmen in unsicheren Zeiten gerne zurück. Niemand will sich in einem instabilen Marktumfeld zu größeren Schritten hinreißen lassen.
Per Saldo erwartet FactSet für den Bankensektor im ersten Quartal ein EPS-Wachstum von 5%.
Für den gesamten Finanzsektor wird mit einem Wachstum von 2,3 % gerechnet, danach mit einer moderaten Beschleunigung, die allerdings wegen der Zollproblematik mit einem Fragezeichen versehen ist.
Bei den Banken ist Jamie Dimon, CEO von JPMorgan, für seine Offenheit bekannt. Sein diesjähriger Brief an die Aktionäre war ganze 59 Seiten stark - und er ließ kein gutes Haar an der Zollthematik. Er prophezeite kurzfristige Inflationseffekte und ein verlangsamtes Wirtschaftswachstum. Zwar hält er einen massiven Konjunktureinbruch nicht für ausgemacht, warnt aber, dass zu viel Unsicherheit über einen längeren Zeitraum schädlich ist: „Je schneller das Problem gelöst wird, desto besser“, schreibt er.
Wir haben also Banken, die von höheren Zinsen profitieren, aber unter einem mauen M&A-Geschäft leiden. Wir haben Einzelhändler, die Zölle fürchten, und Airlines, die angesichts schwankender Nachfrage lieber zweimal überlegen, bevor sie eine konkrete Umsatzprognose abgeben. Was folgt daraus für die kommenden Wochen?
Volatilität bleibt hoch: Da kaum jemand sicher sein kann, wie sich Politik und Wirtschaft entwickeln, reagieren die Kurse empfindlicher auf jede neue Schlagzeile.
Aussetzer bei der Guidance: Manche Firmen werden komplett passen, andere nur vage Aussagen treffen. Das bedeutet, dass wir noch mehr auf 1) die Kommentare des Managements und 2) auf makroökonomische Indikatoren achten müssen.
Mögliches Comeback in ausgewählten Sektoren: Vielleicht sehen wir bei bestimmten Konsum- oder Technologieunternehmen positive Überraschungen, besonders wenn die Nachfrage stabil bleibt oder bestimmte Innovationsfelder wie KI weiterhin vielversprechende Anzeichen zeigen.
Gerade in dieser Berichtssaison gilt: Lass dich nicht von den Schlagzeilen allein steuern. Wer erfolgreich investieren möchte, muss den Spagat schaffen zwischen Vorsicht und Chancenorientierung. Und das geht am besten mit einer fundierten Datenbasis und einer klaren Strategie.
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Ja, in Zeiten wie diesen ist es schwer, einen glasklaren Ausblick zu bekommen. Zölle, geopolitische Spannungen und die jüngste Entwicklung bei den Zinsen können jeden Plan binnen Tagen über den Haufen werfen. Doch wer sich jetzt mit hochwertigem Research wappnet, verschafft sich einen enormen Vorteil.
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