Berlin, 03. Apr (Reuters) - Donald Trump hat seine Drohungen wahrgemacht und den Zollhammer ausgepackt. Einfuhren aus der EU sollen künftig mit mindestens 20 Prozent an Zöllen belegt werden. Was heißt das für die deutsche Wirtschaft?
WERDEN DIE DEUTSCHEN US-EXPORTE JETZT EINBRECHEN?
Ja, sagen Ökonomen. Studien zufolge dürften die deutschen Warenexporte in die USA um etwa 20 Prozent zurückgehen. Das wäre bitter für die Exportwirtschaft, denn die USA sind das mit Abstand größte Abnehmerland von Waren "Made in Germany". 2024 setzten deutsche Unternehmen Produkte im Wert von mehr als 161 Milliarden Euro in den Vereinigten Staaten ab - so viel wie noch nie. Allerdings: 90 Prozent der deutschen Ausfuhren landen woanders, der US-Anteil am deutschen Exportgeschäft liegt bei rund zehn Prozent.
WELCHE BRANCHEN SIND BESONDERS BETROFFEN?
Vor allem die Auto- und Autoteilexporte: Für sie gilt bereits seit Donnerstag ein zusätzlicher Zoll von 25 Prozent. Die Commerzbank-Ökonomen gehen davon aus, dass bis zu 80 Prozent aller deutschen Warenexporte in die USA mit einem Zoll von mindestens 20 Prozent belegt werden. Schlüsselbranchen wie Auto- und Maschinenbau dürften besonders unter den Zöllen leiden, erwartet das Ifo-Institut.
WIRD DIE DEUTSCHE WIRTSCHAFT AUSGEBREMST?
Ja. Sie ist nach zwei Rezessionsjahren in Folge ohnehin angeschlagen. Das Bruttoinlandsprodukt könne um bis zu 0,5 Prozent sinken, sagt der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Achim Wambach. Wegen der sich abzeichnenden Zollerhöhungen hat die Commerzbank bereits ihre deutsche Konjunkturprognose für 2025 von 0,2 auf 0,0 Prozent gesenkt, wie Chefvolkswirt Jörg Krämer sagt.
Nach Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) kann sich der Schaden in der vierjährigen Amtszeit Trumps auf rund 200 Milliarden Euro summieren. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt läge dann im Jahr 2028 um etwa anderthalb Prozent niedriger als ohne Zölle.
WAS BEDEUTEN DIE ZÖLLE FÜR DIE INFLATION?
Das ist noch unklar. ZEW-Präsident Wambach geht davon aus, dass Unternehmen aus anderen, ebenfalls mit hohen US-Zöllen belegten Ländern wie China "ihre Exporte umlenken und mehr Güter in die EU liefern, was tendenziell zu geringeren Preisen führen wird". Der Handelsverband Deutschland (HDE) befürchtet steigende Preise im Falle eines Handelskriegs - also falls die EU-Kommission Vergeltungszölle auf US-Importe erheben sollte. "Viele Handelsunternehmen werden Zollerhöhungen mindestens mittelfristig auch an die Endverbraucher in den Verkaufspreisen weitergeben müssen", sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. "Denn meist sind die Margen im Einzelhandel niedrig, solche Beträge können nicht einfach abgepuffert werden." Alternativ dürften sich einige Handelsunternehmen nach neuen Lieferanten in anderen Ländern umsehen. "Doch auch dieser Prozess und der Aufbau neuer Lieferketten kostet Zeit und Geld", betont Genth. Die USA hätten etwa bei Cranberries oder Schalenfrüchten wie Walnüssen eine starke Stellung.
WAS KANN DIE BUNDESREGIERUNG TUN?
Ökonomen raten der künftigen Regierung dazu, die von Union und SPD beschlossenen Investitionen in die Infrastruktur in Höhe von 500 Milliarden Euro rasch umzusetzen. "Ein solches Programm könnte helfen, die inländische Nachfrage zu stützen, während die Exportnachfrage schwächelt", sagt der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen IMK-Instituts, Sebastian Dullien. Auch die Modernisierung der Bundeswehr könnte die Binnennachfrage stärken.
Die Wirtschaft fordert zudem Entlastungen - etwa bei Steuern, Abgaben, Energie und vor allem Bürokratie. "Wenn wir im Konflikt bestehen wollen, müssen wir mit Wirtschaftswachstum zu alter Stärke zurückfinden", fordert der Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA), Dirk Jandura.
WAS SOLLTE DIE EU-KOMMISSION MACHEN?
Sie vertritt die EU-Mitgliedsstaaten in Handelsfragen und kann Gegenzölle verhängen. Experten raten dazu, die amerikanischen Tech-Konzerne ins Visier zu nehmen. "Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für die EU, endlich gegen den Marktmissbrauch einiger mächtiger US-Digitalkonzerne vorzugehen", sagt etwa der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher.
Bei den Gebühren für die Nutzung von geistigem Eigentum wies die EU 2023 ein Defizit von 125 Milliarden Euro auf, rechnet das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vor. Dabei handelt es sich demnach zu drei Vierteln um Zahlungen von Tochterfirmen in der EU an ihren US-Mutterkonzern. "Strafmaßnahmen würden daher kaum europäische Firmen treffen", so das IW.