Investing.com – Donald Trump führte einen knallharten Wahlkampf, in dem er immer wieder betonte, dass es während seiner Amtszeit einzig und allein darum gehen werde, den USA zu altem Glanz zu verhelfen. Die exorbitanten Zölle, die er in Aussicht stellte, wurden damit abgetan, dass alles nicht so schlimm werden wird, es ist nur Wahlkampf.
Auch die Veröffentlichung des 1000-seitigen "Project 2025", einem Fahrplan zur Umgestaltung der USA aus der Feder des nationalistisch-konservativen Thinktank Heritage Foundation war schnell vergessen. Immerhin leugnete Trump von der Existenz Kenntnis zu haben.
Zu diesem Zeitpunkt hatte der Rabobank-Makroanalyst Michael Every schon unzählige Male geschrieben, dass der Globalismus mit all seinen Vorteilen für den Handel und das Wirtschaftswachstum auf sein Ende zusteuert. Sollte Trump erneut zum Präsidenten gewählt werden, dann würde sich dieser Prozess massiv beschleunigen, warnte er.
Mittlerweile sind die Zölle von Trump und die Reaktion der Weltmärkte nicht mehr nur graue Theorie, welche die Meisten für unmöglich hielten. Dennoch klammert man sich weiter an die Hoffnung, dass Trump schon einlenken wird. Der Druck der Aktienmärkte wird ihn zur Vernunft bringen. Aber das ist genauso ein Irrglaube wie die Erzählung, dass man sich auf unbekanntem Terrain befindet, weil es eine beispiellose Situation ist.
Michael Every stellt fest, dass Donald Trump die Weltwirtschaft bewusst in eine Krise stürzt, so wie es Nixxon in den 1970er Jahren tat.
Die USA haben ihr gewichtetes Durchschnittszollniveau auf 29 % erhöht, den höchsten Stand seit über 100 Jahren und sogar höher als die berüchtigten Smoot-Hawley-Zölle der 1930er Jahre. Every kommentiert dies mit den Worten: „Das ist atemberaubend, nicht nur für die USA, die Inflation oder das BIP, sondern für das globale Wirtschaftssystem, welches auf den USA als letztem Verbraucher für die Überproduktion aller anderen Volkswirtschaften aufbaut.“
Every erklärt, dass die Trump-Regierung pauschal davon ausgeht, dass sie von jedem Handelspartner über den Tisch gezogen wird, mit dem sie ein Handelsdefizit hat. Trump stört dieses Handelsdefizit, weshalb er zum Ausgleich reziproke Zölle verhängt. „Das ist auf der einen Seite Unsinn, auf der anderen Seite genau das, was die Ricardianische Theorie unter Freihandel versteht: Alle bilateralen Ströme sollten sich ausgleichen,“ so Every.
Trump schwebt also ein theoretischer Idealzustand vor, der in der Praxis niemals erreicht werden wird.
Besonders betroffen von den neuen Zöllen sind asiatische Exportnationen wie China, Indien, Japan und Südkorea. Every betont: „China sieht sich mit mindestens 54 % Zöllen konfrontiert, mit der zusätzlichen Bedrohung von weiteren 25 % für den Kauf venezolanischen Öls und weiteren 25–50 % für russisches Öl. Das ist eine dramatische Eskalation zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt.“
Die Frage ist, wie China und andere asiatische Länder reagieren werden. Every spekuliert: „Wird China den Yuan abwerten lassen? Zieht das andere Währungen mit nach unten? Erhöhen die USA dann die Zölle weiter? Oder wird China auf inländischen Konsum umsteigen, was inflationsfördernd wäre? Welche Optionen haben Japan, Südkorea, Vietnam, Kambodscha, Thailand und Indien? Sie können nicht „noch mehr mit China handeln“, es sei denn, China übernimmt die Rolle des US-Importeurs/Verbrauchers, aber China wird nicht mehr importieren wollen. Also, wird ganz Asien mit den USA entweder inflationieren oder in die Deflation abrutschen? Oder werden alle außer China auf die Seite der USA gegen China wechseln?"
Während die EU mit einem Zoll von 20 % etwas besser wegkommt, sind auch hier die Auswirkungen spürbar. Every weist darauf hin, dass die USA bereits Druck auf Europa ausüben, amerikanische Waffen zu kaufen, anstatt eine lokale Produktion aufzubauen. „Wenn Europa zustimmt, könnten Handelskonflikte und Sicherheitsfragen gemeinsam gelöst werden. Wenn nicht, dürfte Europa mit mehr US-Unnachgiebigkeit in Bezug auf NATO, Handel und Energie konfrontiert werden,“ so Every.
In seinem Bericht zieht Every Parallelen zwischen Trumps aktueller Politik und dem sogenannten „Nixon-Schock“ von 1971, als die USA das feste Wechselkurssystem aufgaben und die Weltwirtschaft in eine Phase der Instabilität stürzten. Der ehemalige US-Finanzminister John Connally sagte zu Nixon: „Meine Philosophie, Herr Präsident, ist, dass alle Ausländer darauf aus sind, uns zu verarschen, und es ist unsere Aufgabe, sie zuerst zu verarschen.“
Diese Aussage spiegelt laut Every die Denkweise wider, die mehr als 50 Jahre später auch Trumps Handeln prägt und damals wie heute wird sie die Welt ins Chaos stürzen.
Every: „Trump ist nicht der erste Präsident, der die kontrollierte Spaltung der Weltwirtschaft anstrebt. Nixon hat dies vor einem halben Jahrhundert getan, und die Welt, über die die westliche liberale Elite heute trauert, ist das Ergebnis des Nixon-Schocks.“
Trump hat also nicht weniger vor, als die Globalisierung, die ihren Ursprung in den 1970/1980er Jahren hat, ungeschehen zu machen. Denn die Globalisierung mit ihren internationalen Lieferketten hat zwar für sprudelnde Aktiengewinne gesorgt, aber Amerika geschwächt, während China zusehends stärker wurde.
Make Amerika Great Again heißt eben nicht das Leben der Amerikaner zu verbessern, sondern Amerika geopolitische Stärke zu verleihen – koste es, was es wolle. Und mit alternativen Fakten wird Trump seinen Wählern schon erklären, dass er nicht für steigende Preise und sinkende Aktienkurse verantwortlich ist.
Die Auswirkungen der neuen US-Politik sind so komplex, dass die Finanzmärkte es nicht begreifen können oder wollen, so Every.
Yanis Varoufakis schrieb über Trumps Tag der Befreiung:
Einer der klügsten Nixon-Berater, der dazu beitrug, Connally von der Notwendigkeit eines Schocks zu überzeugen, brachte den wichtigsten Punkt mit brillanter Klarheit zum Ausdruck: „Es ist verlockend, den Markt als unparteiischen Schiedsrichter zu betrachten. Aber wenn man die Wahl zwischen einem stabilen internationalen System und der wünschenswerten Beibehaltung der Handlungsfreiheit für die nationale Politik hat, wird letzteres den Vorrang erhalten."
Dann untergrub er mit einem einzigen Satz alle Annahmen, auf denen Westeuropa und Japan ihre Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit aufgebaut hatten: ‚Ein kontrollierter Zerfall der Weltwirtschaft ist ein legitimes Ziel für die achtziger Jahre.‘
Und zehn Monate nach diesen Worten stieg der besagte Mann, Paul Volcker, zum Präsidenten der Federal Reserve auf. Bald darauf wurden die US-Zinssätze verdoppelt und dann verdreifacht. Der kontrollierte Zerfall der Weltwirtschaft, der begonnen hatte, als Präsident Nixon von Connally und Volcker überzeugt wurde, das bis dahin stabile Wechselkurssystem abzubauen, wurde nun mit Zinserhöhungen abgeschlossen, die weitaus verheerender waren, als es Trumps Zölle heute je sein können.
Trumps Zölle sind also nur eine Art Vorspiel dessen, was uns eigentlich erwartet. Jeder, der noch vor 6 Monaten sagte, das ist alles nur Wahlkampfgetöse und jetzt zu der Einsicht kommt, dass Trump alles, was er sagte, umsetzt und das schneller als es jemals für möglich gehalten wurde, sollte sich mit dem Gedanken anfreunden, dass sich die Welt grundlegend ändert – mit massiven Auswirkungen für die Finanzmärkte.
All das, was Trump per Dekret entscheidet, steht detailliert im Project 2025 niedergeschrieben. Wer wissen möchte, was bereits alles umgesetzt wurde, der schaut auf dem Project 2025 Tracker vorbei.